Den Mutigen gehört die Welt

Den Mutigen gehört die Welt

Ohne riskante Entscheidungen könnten wir die Welt nicht verändern. Zum Glück legt es unser Gehirn genau darauf an und ermuntert uns zu mutigen Handlungen.

Hinterher ist man immer schlauer. Wer wüsste das besser als Ronald Wayne: Zusammen mit zwei Kollegen gründete er im Jahre 1976 eine kleine Computerfirma im Silicon Valley. Keine zwei Wochen später bereute er seine Entscheidung und gab seinen 10-prozentigen Unternehmensanteil für ein paar Hundert Dollar zurück. Seine damaligen Geschäftspartner, Steve Jobs und Steven Wozniak, blieben jedoch dabei und machten die Firma zum wertvollsten Unternehmender Welt. Heute könnte Ronald Wayne für seinen Apple-Anteil mehrere Milliarden verlangen, doch er war nicht mutig genug, das Risiko einzugehen. Schließlich hätte er für das junge Apple-Unternehmen mit seinem Vermögen haften müssen – und ob sich das Start-up wirklich durchsetzt und nicht untergeht wie zahllose Firmen in der Nachbarschaft, das war damals alles andere als klar. Diese Fußnote der Wirtschaftsgeschichte zeigt zwei wichtige Dinge, wenn es darum geht, mutig zu sein. Erstens, Menschen sind prinzipiell neugierig und wollen etwas wagen. Zweitens sind wir genau dann in einer mutigen Entscheidung gehemmt, wenn wir Angst haben, etwas zu verlieren. Interessanterweise zeigen sich diese beiden Handlungsprinzipien auch im Gehirn. Viele stellen sich vor, dass es bei unseren Entscheidungen im Kopf zugeht wie in einem gut strukturierten Unternehmen: Die Geschäftsleitung macht einen Plan und teilt den anderen Abteilungen mit, wie dieser anschließend umgesetzt werden soll. Doch im Gehirn läuft das nicht so ab. Vielmehr konkurrieren in unserem Kopf viele unterschiedliche Handlungsmuster, von denen sich eins durchsetzen kann – je nachdem, ob wir eher auf Belohnung oder auf Sicherheit gepolt sind. Zu Beginn jeder Entscheidung (ob mutig oder nicht) muss das Gehirn daher festlegen, wohin die Reise gehen soll: Ist es darauf aus, eine Belohnung zu erlangen oder einem Verlust zu entgehen? Im Falle einer Belohnungserwartung wird eine Hirnachse aktiviert, die im limbischen System endet und uns das positive Gefühl einer Euphorie vermitteln kann. Je stärker diese Belohnungsregion aktiviert wird, desto mehr blenden wir mögliche Risiken aus und gehen eine waghalsige Entscheidung ein. Auf der anderen Seite kann unser Entscheidungssystem auch gebremst werden. Eine andere Hirnregion (die Inselrinde) registriert nämlich die möglichen Gefahren und Verluste einer riskanten Entscheidung. Diese beiden Hirnregionen stecken also den Rahmen ab, in dem wir eine Entscheidung treffen. Der Witz ist nun: Das Gehirn wägt nicht rational alle möglichen Handlungsalternativen gegeneinander ab. Im Gegenteil, es entstehen viele unterschiedliche Handlungsmuster, die im Gehirn durcheinander laufen. Ist es eher auf eine Belohnungserwartung eingestellt, werden die defensiven(und mutlosen) Handlungsmuster rausgefiltert und wir gehen eher ins Risiko. Haben wir hingegen die möglichen Verluste vor dem geistigen Auge, werden riskante Muster geblockt und wir handeln weniger mutig. Doch welches Handlungsmuster sich genau durchsetzen wird, steht zu Beginn gar nicht fest – und auch nicht, ob es später Erfolg bringen wird. Denn echte Entscheidungen werden immer in einer Situation der Unsicherheit getroffen. Schließlich ist zum Zeitpunkt der Entscheidung selten klar, wie sich die Dinge entwickeln werden. In einem solchen unsicheren Umfeld lässt das Gehirn auch mal ein Handlungsmuster durchrutschen, dass man nicht immer rational begründen kann. Das kann gut gehen oder nicht, doch das wissen wir vorher nicht. Dass wir etwas wagen, kann deswegen komplett schief laufen – oder der Beginn von etwas Großem sein. Würde das Gehirn jedoch alles im Vorhinein komplett planen und jedes Risiko vermeiden,wäre es nicht besonders anpassungsfähig. Es wäre sicherheitsbewusst und vorsichtig, leider auch wenig innovativ und fortschrittsfeindlich. Nur dadurch, dass wir manchmal das Risiko eingehen zu scheitern, können wir überhaupt mutige Entscheidungen treffen und die Welt verändern. Dass wir mutig drauflosgehen und uns etwas trauen, ist also gewissermaßen tief in unserem Gehirn verankert. Wäre das nicht so, hätten wir nicht alle Kontinente der Welt erobert und ständig neue Sachen erfunden. Dass nicht jede mutige Entscheidung von Erfolggekrönt ist – geschenkt, das Gehirn probiert es einfach weiter. Das hat auch einen guten Grund. Untersucht man nämlich, welche Hirnregionen beim Fehlermachen aktiv werden, stellt man fest, dass viele Hirnareale eine Rolle spielen, doch eine Region fehlt: Die Region für Angst. Erst wenn wir im Laufe unseres Lebens lernen, dass Fehler etwas Schlechtes sein können, können wir den Mut verlieren. Natürlich ist nicht jeder Fehler etwas Gutes, doch umgekehrt gilt auch: Wer nie etwas falsch machen will, macht auch nie etwas wirklich richtig. Lassen Sie sich daher nicht entmutigen, probieren Sie etwas Neues aus. Denn für das Gehirn gilt: Machen ist wichtiger als perfekt machen.

Zur Person

Henning Beck

Henning Beck ist Neurowissenschaftler und Science Slammer. In seinem neuen Buch »Irren ist nützlich. Warum die Schwächen des Gehirns unsere Stärken sind« zeigt er, warum wir Fehler brauchen, um besser zu werden.

 
 
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