Mut zum Dissens

Mut zum Dissens

Ein formeller Fraktionszwang ist verfassungswidrig. Trotzdem kann das Einstehen für die eigene Überzeugung unter Umständen drastische Folgen für die politische Karriere haben. Hier schildern drei Abgeordnete des Deutschen Bundestages, warum sie widersprachen.

Artikel 38 des Grundgesetzes: (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Soweit das Gesetz. Im Bundestag existiert allerdings eine informelle Fraktionsdisziplin. Was nach preußischer Tugend klingt, ist durchaus sinnvoll: Die Fraktion demonstriert dadurch Einigkeit und ist, wenn in Regierungsverantwortung, besonders entscheidungs- und arbeitsfähig. Ein formeller Fraktionszwang, also der Druck, seine Position der der Fraktion unterzuordnen, ist dagegen verfassungswidrig. Trotzdem kann das Einstehen für die eigene Überzeugung unter Umständen drastische Folgen für die politische Karriere haben. Hier schildern drei Abgeordnete des Deutschen Bundestages, warum sie widersprachen, welche Reaktionen sie erlebten und welche Rolle Mut für sie dabei spielte.  

Oswald Metzger (62)

war lange Mitglied bei den Grünen, für die er von 1994 bis 2002 im Bundestag saß. 2008 trat er in die CDU ein. Metzger ist Chefredakteur des Online-Debattenmagazins »The European« und Geschäftsführender Sekretär des Konvents für Deutschland.
„Der Politikbetrieb verlangt Geschmeidigkeit. Ein pointierter Standpunkt stört, wenn er nicht zum jeweiligen opportunistischen Mainstream der Partei passt. Als ordoliberaler Marktwirtschaftler kämpfte ich zu Grünen Abgeordnetenzeiten für solide Staatsfinanzen und langfristig tragfähige Sozialsysteme. Nach Anfangserfolgen eckte ich immer häufiger an. Der Etatismus der Grünen war stärker. Ich verließ die Partei Ende 2007 und wechselte zur CDU – in der Hoffnung, dort mehr politische Resonanz zu erzielen. Diese Hoffnung trog.“

Klaus-Peter Willsch (56)

ist seit 1998 direkt gewählter Abgeordneter seines Wahlkreises im Deutschen Bundestag und seit 1979 Mitglied der CDU. 2015 erschien das Buch »Von Rettern und Rebellen: Ein Blick hinter die Kulissen unserer Demokratie« in dem Willsch kritisch mit der Euro-Rettung ins Gericht geht.
„In der Eurokrise verkam der Bundestag leider zunehmend zu einer Abnickbude. Uns Abgeordneten wurde immer wieder die Pistole auf die Brust gesetzt. Das habe ich nicht mit mir machen lassen. Denn es ist grundfalsch, deutsches Steuergeld in ein Fass ohne Boden zu kippen. Viele Menschen sahen und sehen dies genauso. Um all denen eine Stimme zu geben, habe ich mir Rederecht für meine von der Fraktion abweichende Haltung erkämpft. Damals sorgte das für einen Riesenwirbel, heute ist der Umgang mit anderen Meinungen entspannter.“

Wolfgang Bosbach (64)

ist seit 1972 CDU-Mitglied und war unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für das Ressort Innen- und Rechtspolitik. 2016 kündigte aus er aus politischen und persönlichen Gründen seinen Rücktritt für diesen Herbst an.
„Mutig? Nein, ich selber käme wirklich nie auf die Idee, mein Abstimmungsverhalten im Bundestag, z. B. bei dem Thema ›Rettungsbemühungen für Griechenland‹ als mutig zu bezeichnen. Dafür, seiner eigenen politischen Überzeugung treu zu bleiben, braucht man nicht viel Mut. Mutig sind diejenigen, die wirklich etwas riskieren, die zur Erreichung eines Zieles ein hohes persönliches Risiko auf sich nehmen. Ich möchte meiner politischen Überzeugung treu bleiben und mich nicht verbiegen lassen – auch wenn ich in der ein oder anderen Frage in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nur einer kleinen Minderheit angehöre. Viel schwerer würde es mir fallen, meiner politischen Überzeugung untreu zu werden und damit meine Wählerinnen und Wähler zu enttäuschen.“

 
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