"Das Handwerk ist kein Plan B"

"Das Handwerk ist kein Plan B"

Das Unternehmen der Familie Tanyildiz bildet in Berlin-Lichtenberg Menschen aus, die in anderen Betrieben kaum eine Chance hätten und teilweise in zweiter Generation von Sozialleistungen leben. Rund 60 Prozent der angehenden Tischler, Malerinnen, Beiköche oder Maurerinnen finden anschließend einen Job.

Der Weg in die Freiheit führt über jede Menge Regeln. „Vor Verlassen Arbeitsplatz aufräumen“ steht auf einem Hinweisschild in der Metallwerkstatt. „Hier kein Durchgang (auch nicht zur Toilette)“ lautet die Devise in der Tischlerei. Und in einem der zahlreichen Flure des Ausbildungszentrums OTA heißt es: „Rauchen nur in den vereinbarten Pausen erlaubt“. „Viele der knapp 350 jungen Frauen und Männer, die wir ausbilden oder auf einen Beruf vorbereiten, müssen wir gelegentlich an soziale Normen erinnern“, erläutert Prokurist Florian Tanyildiz. „Manch einer erscheint in den ersten Wochen gerne mal zu spät zur Arbeit und reagiert fassungslos, wenn der Vorgesetzte eine Entschuldigung verlangt.“

Sobald sich eine kollegiale und persönliche Beziehung eingestellt hat, kann ich meine Leute gut zum Weitermachen motivieren

 

Als freier Träger der Jugendhilfe verfüge der Betrieb über die Kapazitäten, in schwierigen Situationen zur „Mund-Mund-Beatmung“ überzugehen. Darunter versteht Florian Tanyildiz die Zusammenarbeit zwischen den mehr als 100 Lehrerinnen, Sozialarbeitern, Psychologinnen, Ingenieuren und Handwerksmeistern, die sich um jeden einzelnen Schützling kümmern. Einer der Mitarbeiter ist Maurermeister Frank Meißner. „Wichtig ist, sich Respekt zu verschaffen“ sagt der Ausbilder. „Sobald sich eine kollegiale und persönliche Beziehung eingestellt hat, kann ich meine Leute gut zum Weitermachen motivieren.“

Weitermachen möchte Francine auf jeden Fall. Die 25-Jährige durchläuft das zweite Lehrjahr als Malerin und Lackiererin und empfindet den Beruf als vielseitig. „Ich lerne neben dem Malern zum Beispiel Fußböden und Fliesen zu verlegen.“ Francine hofft, dass die Agentur für Arbeit ihr das dritte Lehrjahr finanziert. Dann könnte die zurückhaltende junge Frau eine Vollausbildung abschließen.

 

„Genau das ist unser Ziel“, ergänzt Florian Tanyildiz. „Ein Handwerksberuf ist kein Plan B, sondern ermöglicht ein dauerhaft selbstbestimmtes Leben.“ Doch selbst, wenn es am Ende nicht zur Vollausbildung reiche, könnten sich viele Absolventen aus der Abhängigkeit von Sozialleistungen befreien. So sei es etwa in Elektrotechnik oder Gartenbau möglich, die Theorie einzudampfen, sich auf die Praxis zu konzentrieren und als Fachwerker abzuschließen. „Die Wirtschaft braucht jeden, der geschickt mit seinen Händen umgehen kann“, ist sich der 34-Jährige sicher und kritisiert die Bildungspolitik: „Deutschland versteift sich aufs Studium. Dabei trägt das Handwerk maßgeblich zur Wertschöpfung bei.“

 

Zum Unternehmen

Ausbildungszentrum OTA gGmbH

Branche: Bildung

Gründungsjahr: 1983

Mitarbeiter: 116 

 

Zur Person

Florian Tanyildiz wurde am 11. Juni 1984 in Berlin geboren. Er studierte an der OTA den Business Administration und machte im Anschluss den Master in International Strategic Management an der SRH Hochschule. Er ist Prokurist an der OTA und für das Qualitätsmanagement und die Projektentwicklung verantwortlich. Alle Familienmitglieder, Vater, Mutter und Bruder sind im Unternehmen tätig.

 


 
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