Gewachsene Verantwortung

Gewachsene Verantwortung

Eine Bauernregel besagt: "Wenn im Juni der Nordwind weht, das Korn zur Ernte trefflich steht". Kann sein, muss aber nicht. Deshalb bestimmen in der modernen Landwirtschaft längst andere die Regeln: Zum Beispiel Hermann Leithold (29), der im Familienunternehmen Agricon GmbH seit Anfang des Jahres das operative Geschäft und ein Team von 30 Personen leitet.

Gemeinsam entwickeln, installieren und warten sie Sensoren und Managementsoftware für die Landwirtschaft. Aber auch wenn die romantischen Zeiten auf deutschen Äckern weitgehend der Vergangenheit angehören, so ist doch zumindest in Sachen Familienunternehmertum bei Agricon alles beim Alten. Und Leithold ist sich der Verantwortung, die er seit seinem Eintritt ins Unternehmen vor fünf Jahren trägt, bewusst: "Verantwortung bedeutet für mich, meine Freiheit aktiv zu nutzen und Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist mir, diese Entscheidungen nicht egoistisch, sondern im Sinne meiner Umwelt, Kollegen, Mitarbeiter, der Familie und natürlich des Unternehmens zu treffen."
Dabei war lange nicht klar, ob der Hobby-Sportler die unternehmerische Verantwortung übernehmen wird. Hermann Leithold war zwar schon immer ein Science-Fiction-Fan und interessierte sich für Kybernetik, Informatik und Elektrotechnik, hatte aber lange keine Ambitionen, in den elterlichen Betrieb einzusteigen. "Das Thema Nachfolge haben meine Eltern nie aktiv von sich aus angesprochen, haben mich und meine Geschwister nie zu irgendetwas gedrängt", so Leithold. Mussten sie vielleicht auch gar nicht. Denn das Familienleben ist untrennbar mit dem Unternehmen und dessen Wachstum in den vergangen zwei Jahrzehnten verbunden: Die Firmenzentrale ist Teil des Vierseitenhofes, indem Leithold aufwuchs. Wo heute Büroräume mit großen Glasfronten, viel Glas, Holz und Metall Startup-Charme verbreiten, kletterte Leithold als Kind mit Freunden mutig durchs morsche Gebälk. Heute ist Leitholds Arbeitsplatz längst kein Abenteuerspielplatz mehr und der junge Unternehmer sitzt als Nachfolger fest im Sattel. Auch, weil sein Vater vor seinem Studium der Agrarwissenschaften darauf bestand, dass er zuerst eine landwirtschaftliche Ausbildung macht und sich das nötige Basiswissen aneignet. "Ich fuhr Traktor und Mähdrescher, mistete Ställe aus", erzählt Leithold, der schnell feststellte, dass es ihm vor allem der Pflanzenbau und dessen Optimierung angetan haben.
Also genau das, mit dem sich sein Vater Peer Leithold und die inzwischen 65 Mitarbeiter bei Agricon seit der Gründung 1997 beschäftigen. "Wir wollen die Effizienzin der Pflanzenproduktion steigern. Umso effizienter ich produziere, desto weniger Düngemittel kommen an die falsche Stelle, gelangen ins Grundwasser oder es entwickeln sich Gase, die in die Luft entweichen.

Der nachhaltige Umgang mit der Natur und mit Ressourcen ist der einzige Weg, wie wir in Zukunft in Europa Landwirtschaft betreiben können.

  Effizienz, fortschreitende Digitalisierung und immer größer werdende Maschinen - man könnte meinen, der Faktor Mensch wird langsam entbehrlich. Dem widerspricht Hermann Leithold entschieden. "Generell geht der Trend zu größeren Maschinen und Leistung, das ist richtig. Aber: Wir bringen mehr Intelligenz auf und in die Maschinen. Das bedeutet auch mehr Anforderungen an die Beschäftigten. Alleine in den Schulungen von Agricon waren im letzten Jahr 650 Personen. Für die Menschen, die auf dem Feld arbeiten, ist das tatsächlich eine positive Entwicklung, weil die Arbeit aufgewertet wird. Für einige bedeuten die Veränderungen aber sicher auch Herausforderungen."
Herausfordernd im positiven Sinne ist für Leithold auch die Verschmelzung von Betrieb und Familie.Denn im Familienunternehmen gäbe es eine andere Grundmotivation und eine ganzheitliche Herangehensweise an die Arbeit. Und: Der Druck, sich aus Karrieregründen gegen interne Konkurrenz durchzusetzen, falle weg, sagt Leithold. "Diese enge Verbindung mit dem Unternehmen birgt aber auch Nachteile. Man muss lernen, nicht zu emotional an die Arbeit ran zu gehen". Das alles so gut läuft, ist auch dem konstruktiven Umgang von Vater und Sohn zu verdanken. "Wir sind uns charakterlich sehr ähnlich. Daher ist es für mich manchmal spannender, mit Kollegen über eine Sache zu diskutieren, die einen anderen Mindset haben als wir - das führt dann auch zu anderen und neuen Erkenntnissen.

Daten sind das neue Gold.

Den motivierten Mitarbeitern ist es zu verdanken, dass Agricon wächst und inzwischen auch international, insbesondere in Osteuropa, ein fester Spieler im Markt ist. Mit dem wachsenden Erfolg wird jedoch auch die Konkurrenz immer größer.
"Wie sagt man so schön: Daten sind das neue Gold. Auch in der Landwirtschaft. Wir sind inzwischen der einzige inhabergeführte und vor allem unabhängige Anbieter auf dem Markt", so Leithold, der sich mit seinem Unternehmen gegen Konzerne wie Bayer, Baywa und Monsanto behaupten muss. Also die Big-Player der Betriebsmittelindustrie. Diese bieten den Landwirten Technik und Datenanalyse meist kostenlos an. "Die an diesen Programmen teilnehmenden Landwirte sollten sich aber mal fragen, ob es der Richtige weg ist, den Konzernen seine Daten zu Verfügung zu stellen, die einem Pflanzenschutz- oder Düngemittel verkaufen. Das ist in etwa so, als ob das Finanzamt einem anbietet, einem kostenlos die Buchhaltung zu machen. Also eher eine schlechte Idee."

 
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