Zum Tag der Schokolade: Genuss als Beruf und Leidenschaft

Zum Tag der Schokolade: Genuss als Beruf und Leidenschaft

Süßes macht glücklich, heißt es. Für Annette Klingelhöfer scheint das im doppelten Sinn zu gelten – als Genießerin und als Produzentin. Die 29-Jährige führt in fünfter Generation die Geschäfte der Marburger Konditorei Klingelhöfer, kreiert in der traditionsreichen Backstube feine Pralinen und beschenkt ihre Gäste mit einem selbstbewussten, strahlenden Lächeln.

Für die letzten 100 Meter braucht der Ortsfremde kein Google-Maps. Zur Konditorei Klingelhöfer geht’s der Nase nach. »Unsere Schornsteine sind so konstruiert, dass der Wind morgens den Duft von frischen Brötchen über die Dächer des Viertels trägt«, sagt Geschäftsführerin Annette Klingelhöfer und lacht. Das Ergebnis des »Geruchsmarketings«: Selbst an diesem gewöhnlichen Dienstagmorgen ist die Mehrzahl der Tische besetzt, vor allem im Wintergarten. Zwei Angestellte tragen Frühstück um Frühstück von der Küche ins Café, zwei weitere erfüllen hinter der Ladentheke Kundenwünsche. Vater Thomas Klingelhöfer bestreicht in der Backstube acht Tortenböden mit Friesensahne, während Mutter Ulrike eine Bestellung aufnimmt und jeden zweiten Gast namentlich begrüßt. Seit Marburg eine Südstadt hat, sind die Klingelhöfers hier eine Institution. Ur-Ur-Großvater Johannes hatte sein Gewerbe Anfang der 1890er-Jahre in das neu errichtete Viertel verlegt, weil ihm der Laden auf dem Schlossberg zu klein geworden war. Abgesehen von den Hungerjahren um 1945, als es kaum Mehl gab, haben fünf Generationen von Klingelhöfers im Haus an der Haspelstraße Brot gebacken. Und in den Wirtschaftswunderjahren kamen die Torten hinzu. »Mein Großvater brachte die Rezepte aus seiner Lehrzeit in der Schweiz mit und traf damit den Nerv der Zeit«, sagt Annette Klingelhöfer, die seit 2016 an der Spitze des Familienbetriebs steht. Apropos Nerv der Zeit: Die 29-Jährige freut sich, dass sich Qualität hierzulande endlich auch beim Essen durchsetzt. »Früher galt die Devise Hauptsache viel fürs Geld«, so Annette Klingelhöfer. »Heute achten die Deutschen mehr auf den Geschmack und die Zutaten.« Anlass genug, die Kundschaft mit ihrer Leidenschaft für Patisserie und edle Schokolade anzustecken: Annette Klingelhöfer ließ sich zwischen 2012 und 2015 ganz bewusst von Konditoren in Frankreich, Belgien und Luxemburg ausbilden. Zusätzlich erlangte sie 2017 an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim den Abschluss »Schokoladen-Sommelière« – als eine der Ersten in Deutschland.

Früher galt die Devise Hauptsache viel fürs Geld. Heute achten die Deutschen mehr auf den Geschmack und die Zutaten.

 
Mit dem so gewonnenen Wissen ergänzt die junge Chefin die Produktpalette der Marburger Traditionskonditorei. In der hell erleuchteten Auslage schillern Zitronentörtchen neben dem guten alten Baumkuchen. Birne Helene und Rhabarberbaiser konkurrieren mit zahllosen Trüffelsorten. Ein gewaltiges Tortenkunstwerk erhebt sich über Schokoladenkuppeln, die jeweils in eine Handfläche passen würden. Was trotz dieses Höhenunterschieds ins Auge sticht: Die Marburger Patisserie-Produkte fallen eine Nummer größer aus als ihre Vorbilder aus Brüssel oder Paris. »Das ist ein Zugeständnis an die deutsche Mentalität«, erläutert Annette Klingelhöfer und lacht wieder. Die breite Auswahl lässt erahnen, dass vieler Hände Arbeit hinter den Kreationen der Konditorei steckt: Annette Klingelhöfer leitet ein Team von 29 Vollzeit- und 11 Teilzeitkräften. Dennoch sind die Kapazitäten der Backstube ebenso begrenzt wie der Platz in den Auslagen im Stammhaus und der Filiale in der Marburger Oberstadt. Manche altgedienten Produkte werden also in absehbarer Zukunft weichen müssen. Welche genau, das verrät Annette Klingelhöfer nicht. Und auch die Frage nach ihrem Lieblingsprodukt beantwortet die Geschäftsführerin diplomatisch: »Das wechselt je nach Saison. Im Winter nasche ich zum Beispiel gern Schokoladen-Passionsfrucht-Mousse. Im Frühjahr greife ich lieber zu Erdbeer- Rhabarber-Tarte.« Annette Klingelhöfer geht erkennbar auf in ihrem Beruf. Gab es nie Zweifel daran, die Familientradition fortzuführen? »Meine Eltern waren so klug, meine Schwester und mich nicht zur Konditorei zu drängen«, sagt sie. »Sonst hätten wir mit 12, 13 Jahren sowieso rebelliert.« Friederike und sie hätten immer ganz selbstverständlich mitgeholfen. Letztlich habe die große Schwester sich für eine Laufbahn als Juristin entschieden und Annette habe ihre Ausbildung zur Konditorin aufgenommen. Alles ganz harmonisch. »Der Anfang war allerdings hart«, gibt Annette Klingelhöfer zu. »Meine Freunde haben Fotos aus New York oder Ko Samui gepostet, und ich bin jeden Morgen um 3:00 Uhr aufgestanden, um Teig anzurühren.«

Meine Eltern waren so klug, meine Schwester und mich nicht zur Konditorei zu drängen.

 
Inzwischen hat auch die emsige Konditormeisterin eine Reise über Europa hinaus unternommen. 2017 arbeitete sie auf einer Farm in Madagaskar, von der die Konditorei einen Teil ihres Kakaos bezieht. »Uns ist wichtig, wo und unter welchen Umständen unsere Zutaten hergestellt werden«, erläutert die junge Unternehmerin. »Als Schokoladen-Sommelière wollte ich mir beim Kakao vor Ort selbst ein Bild machen.« Für dieses Jahr plant sie einen weiteren Aufenthalt auf einer Kakaofarm, diesmal in Peru. »Kakao entwickelt je nach Herkunft unterschiedliche Aromen«, begründet Annette Klingelhöfer ihre Neugier auf mehr Praxis. »Die Sorte, die wir aus Peru beziehen, erinnert leicht an Zitrone.« Wie aus Kakao Schokolade wird und daraus beispielsweise eine Tafel mit einer Füllung aus getrockneten Kirschen, das lernen Genussbegeisterte in Seminaren.»Eine Veranstaltung hat bis zu 40 Teilnehmer und wir sind immer ausgebucht«, freut sich die Sommelière. »Uns erreichen sogar Nachfragen aus anderen Bundesländern, seit uns das ZDF 2015 zum besten Weihnachtsbäcker gekürt hat.« Und als sei sie als Geschäftsführerin, Konditormeisterin und Seminarleiterin noch nicht ausgelastet, arbeitet Annette Klingelhöfer an einem Buch. Mehr als 80 Rezepte wird es versammeln, in denen stets die Schokolade im Zentrum steht und die auch Laien nachkochen und nachbacken können. Wem dazu die Muße fehlt, darf trotzdem hoffen: Noch dieses Jahr eröffnet

Kurz-Biografie

Annette Klingelhöfer

wurde 1989 in Marburg geboren. Sie absolvierte eine Ausbildung als Konditorin in Frankreich, Belgien und Luxemburg. Zusätzlich hält sie als eine der ersten Deutschen den Abschluss »Sommelière du chocolat« inne. Im letzten Jahr übernahm sie die Leitung der Konditorei und wurde im Verband DIE JUNGEN UNTERNEHMER zur Regionalvorsitzenden in Mittelhessen gewählt.

 

Unternehmen

Konditorei Café Klingelhöfer GmbH

Branche: Handwerksbetrieb zur Herstellung von Süßwaren und Gebäck Gründung: 1887 Mitarbeiter: 40 Umsatz: 2 Millionen Euro

 

 
Partner
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